Facharztweiterbildung in Praxen fördern
Die Facharztweiterbildung in Praxen zu fördern, verlangt der Spitzenverband ZNS
(SPiZ).
„Nur mit fachärztlicher Weiterbildung auch im ambulanten Bereich lassen sich Versorgungsengpässe in Neurologie und Psychiatrie längerfristig vermeiden“, sagte der erste Vorsitzende des Verbandes, Dr. Frank Bergmann.
Lücken in der ambulanten Versorgung nervenärztlicher Patienten absehbar
Bis zum Jahr 2020 werden im Bereich der Nervenheilkunde gravierende Versorgungslücken klaffen. Das belegt eine Studie der Bundesärztekammer (1). Ein Grund dafür ist der demografische Wandel, der die Fallzahlen in Neurologie und Psychiatrie ansteigen lässt.
Für die Krankenhäuser prognostiziert die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte zusammen mit der Hochschule Rhein-Waal beispielsweise einen Anstieg der Fallzahlen allein in der Neurologie um 197.000 bis zum Jahr 2030 (2, 3). Das bedeutet den höchsten prozentualen Fallzahlanstieg in allen Fächern überhaupt. Nach Berechnungen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) müssten statt Augenblicklich 450 Neurologinnen und Neurologen 650 junge Ärzte ihre Weiterbildung in der Neurologie abschließen, um die Patientenversorgung auch in fünf bis zehn Jahren zu gewährleisten (4).
Facharztweiterbildung im ambulanten Bereich ist sinnvoll
Immer mehr Patienten können heute ambulant betreut werden. Wegen des medizinischen Fortschritts verlagern sich immer mehr Leistungen aus den Kliniken in den niedergelassenen Bereich. „Also muss auch die Weiterbildung – zumindest teilweise – in Praxen stattfinden und nicht nur in Krankenhäusern. Viele Krankheitsbilder lernt der Assistent nämlich im Krankenhaus kaum kennen, etwa chronische Kopfschmerzen oder zum Beispiel viele Verläufe affektiver Störungen. Das Patientenspektrum ist dort anders“, so Bergmann. Einen Teil der Weiterbildung in der Praxis zu absolvieren sei außerdem einer der wichtigsten Schritte, um junge Kollegen an eine Niederlassung heranzuführen. Junge Ärzte könnten so unbegründete Ängste vor der Gründung oder Übernahme einer Praxis abbauen, betont der SPiZ-Vorsitzende. Die (Muster)Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer trägt dem schon lange Rechnung: Danach können Psychiater wie Neurologen 24 Monate ihrer fünfjährigen Weiterbildungszeit in einer Praxis ableisten.
Die ambulante Weiterbildung bietet viele Chancen
Gerade für Frauen, die in den Familien immer noch die Hauptlast der Kinderversorgung tragen, bietet eine Weiterbildung in der Praxis große Vorteile: Nachtdienste entfallen und das Arbeiten in Teilzeit ist meist gut realisierbar. Nach Abschluss der Weiterbildung wollen viele Ärztinnen im ambulanten Bereich arbeiten. In einer aktuellen Umfrage des Marburger Bundes gaben 27 Prozent der
männlichen und 39 Prozent der weiblichen Weiterbildungsassistenten oder -absolventen an, sie könnten sich vorstellen, nach ihrer Facharztausbildung im ambulanten Bereich zu arbeiten (5). Bei der Weiterbildungsevaluation der Bundesärztekammer 2011 schnitt der ambulante Bereich als Ausbilder deutlich besser ab als die Krankenhäuser (6, 7).
Finanzierung ungeklärt
„Die Weiterbildung im ambulanten Bereich hat fachliche, organisatorische und nicht zuletzt versorgungspolitische Vorteile. Aber leider ist sie oft nicht umsetzbar, weil die Praxen es sich schlicht nicht leisten können, einen Assistenten auszubilden“, kritisiert Bergmann. Im Augenblick muss der Praxisinhaber den Weiterbildungsassistenten aus Praxismitteln bezahlen und ihn anleiten. Der Weiterbildungsassistent kann sich aber durch seine Versorgungsleistung – also die Patientenbetreuung – nicht refinanzieren. Die Grundlage dafür ist die Zulassungsverordnung: „Die Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten darf nicht der Vergrößerung der Kassenpraxis oder der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs dienen“, heißt es dort (8).
Versorgungsleistung von Weiterbildungsassistenten anerkennen!
Der SPiZ fordert: Die Versorgungsleistung der Weiterbildungsassistenten in der Praxis muss ebenso anerkannt werden wie die Versorgungsleistung von Weiterbildungsassistenten in der Klinik, zum Beispiel durch einen angemessenen Aufschlag auf den von der Praxis abgerechneten Punktwert. „Das bedeutet, die Krankenkassen müssten für die Patienten, die der Assistent versorgt, auch bezahlen – ohne die derzeitige enge Budgetierung“, erläutert Bergmann. Alternativ wäre eine Finanzierung durch die öffentliche Hand denkbar. „Es liegt im gesamtgesellschaftlichen Interesse, dass auch zukünftig eine ausreichende Versorgung psychiatrischer und neurologischer Patienten gewährleistet werden kann“, so der SPiZVorsitzende.
Quellen
1. Kopetsch Thomas, Bundesärztekammer: Dem deutschen Gesundheitswesen gehen die Ärzte aus! Studie zur Altersstruktur- und Arztzahlentwicklung, 5. aktualisierte und komplett überarbeitete Auflage. (Zitate S. 17f und S. 102f) http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/arztzahlstudie_03092010.pdf
2. Wie sich die Demografie auf die Fallzahlen in der Klinik auswirkt
3. Deloitte-Studie, Krankenhausmarkt im Wandel: Pressemitteilung vom 12.5.2014
4. Deutsche Gesellschaft für Neurologie: Pressemitteilung 18.9.2013 – Fachärztebedarf. Medizin in Bewegung: Die wachsende Bedeutung der Neurologie für die Gesundheitsversorgung – großer Bedarf an Fachärzten http://www.dgn.org/pressemitteilungen/die-wachsende-bedeutung-der-neurologie-fuerdie-
gesundheitsversorgung.html?q=facharzt
5. Marburger Bund Mitgliederbefragung: MB-Monitor 2014 vom 12.5.2014
6. Korzilius, Heike: Evaluation der Weiterbildung: Im Ergebnis eine gute Zwei minus.
7. Bundesärztekammer: Ergebnisse der Evaluation der Weiterbildung – 2. Befragungsrunde 2011 Bundesrapport http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/bundesrapport_2011.pdf
8. Zulassungsverordnung für Vertragsärzte §32, Absatz 3