Gesundheit am Arbeitsplatz
Neurologen, Nervenärzte und Psychiater beraten Firmen
Auf die Notwendigkeit von Vorsorgekonzepten für neurologische und psychische Gesundheit am Arbeitsplatz wies der Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Nervenärzte (BVDN), Dr. med. Frank Bergmann, in seinem Eingangsreferat hin. Diese Notwendigkeit zeigt sich zum einen darin, dass Erkrankungen des Gehirns immer mehr Krankschreibungen verursachen – die Fehltage wegen psychischer Erkrankungen haben sich in den vergangenen 15 Jahren verdoppelt. Ihre Zahl wächst weiter und lag 2011 bei 13,4 Prozent aller Fehltage (1). Gleichzeitig wird in Deutschland in den kommenden Jahren die Zahl der Erwerbsfähigen sinken und das Durchschnittsalter der Belegschaften steigen. „Es wird für Betriebe daher immer wichtiger, in den Schutz vor psychischen Erkrankungen am Arbeitsplatz zu investieren“, so Bergmann. Dabei gehe es um die sogenannte Primärprävention – das Verhindern von Krankheiten – und um die Wiedereingliederung von Patienten mit neurologischen und/oder psychiatrischen Erkrankungen in das Arbeitsleben.
Welche Rolle Arbeitsbelastungen bei der Entwicklung psychischer Störungen spielen, beleuchtete Prof. Dr. Johannes Siegrist vom Institut für Medizinische Soziologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf im Hauptreferat des Neurologen- und Psychiatertages. Siegrist erläuterte mögliche Fehlentwicklungen am Modell der beruflichen Gratifikationskrisen. Danach muss der Grad der im Beruf erlebten Verausgabung im Gleichgewicht mit der erlebten Belohnung stehen. Letztere bezieht sich dabei nicht nur auf das Gehalt des Arbeitnehmers, sondern auch auf mögliche Aufstiegsmöglichkeiten, die Arbeitsplatzsicherheit und die Wertschätzung, die Vorgesetze, Kollegen und allgemein die Gesellschaft seiner Leistung zollen. Gerät das Gleichgewicht zwischen Anforderung und Belohnung aus dem Gleichgewicht, führt dies von Unzufriedenheit bis zum Burnout des Betroffenen.
Die Anforderungen an die Arbeitnehmer haben sich in den vergangenen Jahren verändert und drohen bei vielen, das Gleichgewicht zwischen Anforderung und Belohnung zu zerstören. Wichtige Veränderungen sind unter anderem der zunehmende Leistungs- und Wettbewerbsdruck, gesteigerte Anforderungen an Flexibilität, Mobilität und selbst bestimmte Arbeitsgestaltung, eine zunehmende Arbeitsplatzunsicherheit und der wachsende Einfluss von Informationstechnologie und Automation.
Neurologen, Psychiater und Nervenärzte entwickeln Konzepte, um die Gesundheitsförderung in den Betrieben zu verbessern. Fünf Arbeitsfelder der AG Neuropsychiatrische Gesundheit in der Arbeitswelt stellte Dr. med. Annette Haver, Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie aus Gütersloh vor:
- Das Umfeld der Unternehmen und der Mitarbeiter verstehen.
- Ein strukturiertes Behandlungsmanagement entwickeln und einführen.
- Eine Zusammenarbeit mit Betriebsärzten fördern.
- Spezifische Präventionsmodule entwickeln.
- Informationsmodule zur Prävention für die Unternehmensführung erstellen.
Ein strukturiertes Behandlungsmanagement inklusive eines Fragenkataloges mit entsprechenden Fallbeispielen ist dazu bereits veröffentlicht (2), Präventionsmaßnahmen hat die AG zusammengestellt. Noch in Arbeit seien Informationsmodule für Führungskräfte und ein Ausbildungslehrgang zur Zusatzqualifikation eines „ärztlichen Coach“.
Die Führungskräfteschulung „Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz“ stellte der Vorsitzende des Aktionsbündnisses Seelische Gesundheit, Prof. Dr. med. Wolfgang Gaebel, Düsseldorf, vor. Dabei geht es einerseits darum, Fehlbelastungen am Arbeitsplatz zu reduzieren. Zugleich sollen Führungskräfte und Kollegen lernen, mit psychisch Erkrankten unbefangener und professioneller umzugehen. Die Ein-Tages-Schulung richtet sich an die mittlere Führungsebene und wird zusammen mit dem Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker (BApK) durchgeführt.
Die besonderen Möglichkeiten von Neurologen in der Vorbeugung von Krankheiten am Arbeitsplatz erläuterte der Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Neurologen (BDN), Dr. med. Uwe Meier. Wichtige Bereiche sind Gefäßerkrankungen des Gehirns – Stichwort Schlaganfall, Schmerzerkrankungen wie Migräne, aber auch der Bereich Stress- und Stressmanagement. „Neurologen und Nervenärzte verstehen als Spezialisten des Gehirns besonders gut, warum und wie belastende Arbeitsbedingungen, Stress und negative Emotionen krank machen können“, so Meier. Dieses Wissen sollten Betriebe nicht erst nutzen, wenn die Krankheit bereits aufgetreten sei, sondern bereits im Vorfeld, um Krankheiten zu verhindern. Meier wies daraufhin, dass regionale Ärztenetze, denen Neurologen, Nervenärzte und Psychiater angehören, besonders geeignet sind, um die Gesundheitsvorsorge in Betrieben zu übernehmen.
Bedarf dazu haben nicht nur große Firmen, sondern in besonderer Weise kleine und mittleren Unternehmen bis 500 Mitarbeiter. Darauf wies Dr. Anne Zimmermann, Referatsleiterin Soziale Sicherung, Gesundheitswirtschaft beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag e.V. (DIHK) hin. Ihnen fehlten insbesondere Informationen darüber, wo und mit welchen gesundheitsfördernden Maßnahmen sie beginnen könnten und wer dafür ein kompetenter Ansprechpartner sei.
Bei der Thematik „Neuropsychiatrische Gesundheit in der Arbeitswelt nicht nur an Büroarbeitsplätze zu denken, sondern auch das produzierende Gewerbe in den Fokus zu nehmen, riet Dr. Mladen Petkovic von der Robert Bosch Fahrzeugelektrik Eisenach GmbH.
Eine gesetzliche Regelung dafür, dass Betriebe sich stärker um die Gesundheitsförderung ihrer Arbeitnehmer kümmern, fordert die IG Metall laut Petra Müller-Knöß aus dem Ressort Arbeitsgestaltung und Gesundheitsschutz der Gewerkschaft. Auf die Internetseite „www.unternehmen-unternehmen-gesundheit.de“ wies Dr. Stephan Zechel aus dem Bundesministerium für Gesundheit hin. Dort sind über 100 Projekte der Betrieblichen Gesundheitsförderung der Krankenkassen eingestellt. Sie können Betrieben und Krankenkassen als Anregung und Vorbild dienen. Zecher betonte, dass sich das in die Prävention investierte Geld für die Firmen betriebswirtschaftlich rechne.
Dass sich auch die Arbeitsmedizin mit dem Thema neuropsychiatrische Gesundheit befasst, betonte der Präsident des Verbands Deutscher Betriebs- und Werkärzte, Dr. med. Wolfgang Panter. Bereits 2009 sei dazu ein Leitfaden „Psychische Gesundheit im Betrieb“ erschienen. Die Arbeitsmediziner sind laut Panter sehr offen dafür, mit externen Fachärzten zusammenzuarbeiten. Wichtig sei dafür, Leuchttürme guten Handelns herauszustellen.
Zum Abdruck freigegebene Pressefotos (hochauflösend, 300 dpi):
Dr. Frank Bergmann, Vorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Nervenärzte (BVDN), bei der Eröffnungsrede des NUP 2012
Dr. Uwe Meier, Vorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Neurologen (BDN), beim NUP 2012
Podiumsdiskussion während des NUP 2012
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