Sozialpsychiatrische Versorgung von Kindern und Jugendlichen hat Vorbildcharakter
Die sozialpsychiatrische Versorgung von Kindern und Jugendlichen ist ein Modell dafür, wie vernetzte multiprofessionelle Betreuung in der Praxis auch in anderen Bereichen aussehen kann. Darauf hat der Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie eV (BKJPP) nach einer Evaluation der Sozialpsychiatrie-Vereinbarung (SPV) hingewiesen.
„Die intensive Vernetzung hilft sehr effektiv, die Behandlung zu verbessern und Kosten zu sparen“, sagte der Vorsitzende des Berufsverbandes und Vizepräsident des Spitzenverbandes ZNS, Dr. Gundolf Berg. Die enge Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen vermeide Doppeluntersuchungen – „außerdem können die therapeutischen Interventionen am bestmöglichen Ort ansetzen, sei es in den Familien, der Schule oder in Kitas – also direkt im Lebensumfeld der Patienten“, so Berg. Das spiegle sich auch in der hohen Zufriedenheit wider, die Patienten und Ärzte in der Evaluation dokumentiert hätten.
Berg bezieht sich damit auf eine soeben vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) erschienene Studie. Daran nahmen 85 Prozent der SPV-Ärzte in Deutschland teil. Die Zi-Wissenschaftler werteten außerdem anonymisierte Datensätze von 16.344 Patienten aus.
Die meisten Patienten bewerteten die Behandlung als gut oder sehr gut, ebenso wie die behandelnden Ärzte. Zum Ende des insgesamt 18 Monate umfassenden Betrachtungszeitraums wurde bei 46 Prozent aller Fälle ein vollständiger oder weitgehender Behandlungserfolg festgestellt, bei 25 Prozent ein mittlerer, bei lediglich sieben Prozent stellte sich ein geringer oder (noch) kein Behandlungserfolg ein. „Der tatsächliche Behandlungserfolg ist vermutlich noch höher, da viele Therapien über den betrachteten Zeitraum andauern“, hieß es aus dem Zi.
„Unsere jahrelange Erfahrung könnte sehr hilfreich sein, wenn es zukünftig darum gehen wird, auch in anderen Bereichen der ambulanten ärztlichen Versorgung multiprofessionelle, vernetzte Behandlungsangebote aufzubauen“, sagte Berg. Was ihn allerdings umtreibt, ist die Tatsache, dass die 1994 eingeführte pauschale Vergütung, mit der die SPV-Ärzte vor allem Personal- und Raumkosten finanzieren müssten, noch nie angepasst wurde. Durch eine 2008 von den Krankenkassen durchgesetzte Erhöhung der Anforderungen an die zu erbringenden Leistungen wurde die Pauschale de facto sogar abgesenkt: Seit 2008 müssen für die Pauschale drei statt zuvor nur ein Patientenkontakt erbracht werden. Berg appelliert: „Wir benötigen jetzt dringend eine deutliche Erhöhung der Pauschale, um auch weiterhin unsere Arbeit machen zu können.“
Hintergrund Sozialpsychiatrische Versorgung
Auf der Basis der Sozialpsychiatrie-Vereinbarung von 1994 beschäftigen Facharztpraxen für Kinder- und Jugendpsychiatrie Mitarbeiter wie Sozialpädagogen, Heilpädagogen oder Psychologen, die in Zusammenarbeit mit dem Arzt Diagnostik und Therapien anbieten. Beispiele sind psychologische Testungen und Einzel- oder Gruppentherapien. Darüber hinaus können diese Praxen aufgrund des umfassenden Know-Hows gezielt Eltern beraten und Familienarbeit leisten. Außerdem ermöglichen die Praxis-Teams eine enge Zusammenarbeit mit Schulen, Kindergärten, Erziehungsberatungsstellen oder Jugendämtern.
Sozialpsychiatrische Versorgung von Kindern und Jugendlichen hat Vorbildcharakter