SPiZ kritisiert geplantes GKV-Versorgungsstärkungs-gesetz
„Noch längere Wartezeiten für Patienten sind inakzeptabel!“
Patienten mit psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen werden künftig noch länger auf einen Termin beim Facharzt oder beim Psychotherapeuten warten müssen, wenn die Große Koalition ihre Pläne zum so genannten GKV-Versorgungsstärkungsgesetz umsetzt. Das erwartet der Spitzenverband ZNS (SPiZ). „Patienten zum Beispiel mit schwerer depressiver Symptomatik müssen selbstverständlich umgehend behandelt werden, hier geht es unter Umständen um Leben und Tod“, betonte der SPiZ-Vorsitzender Dr. med. Frank Bergmann. Wartezeiten von Wochen oder sogar Monaten seien für Patienten mit akuten psychischen Erkrankungen nicht hinnehmbar. „Allerdings wird es mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz noch schwieriger bis unmöglich werden, die Patienten zeitnah zu versorgen“, warnte Bergmann.
Zahlen der Bedarfsplanung sind überholt
Hintergrund ist die im Gesetzentwurf vorgesehene Verpflichtung für die Kassenärztlichen Vereinigungen, freiwerdende Arztsitze in sogenannten überversorgten Gebieten aufzukaufen und nicht wieder zu besetzen, zum Beispiel, wenn der Praxisinhaber in den Ruhestand geht. Als überversorgt gilt eine Region, wenn es dort mehr als 110 Prozent der Praxen gibt, welche die Bedarfsplanung vorgibt. Nach ersten Berechnungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung würde die Regelung dazu führen, dass mittelfristig rund 25.000 Praxen von Fach- und Hausärzten sowie von Psychotherapeuten wegfallen würden.
Bergmann betonte, auch in Ballungszentren gebe es keine Überversorgung mit Neurologen, Nervenärzten, Psychiatern und Kinder- und Jugendpsychiatern – das belegten allein die Wartezeiten auf einen Termin auch in Ballungszentren. „Die Behauptung, es gebe eine Überversorgung mit Fachärzten ist in keiner Weise haltbar. Sie beruht auf einer Fortführung alter Statistiken und ist schlicht nicht zutreffend, schon gar nicht für den Bereich der nervenärztlichen, neurologischen und psychiatrischen Versorgung so der SPiZ-Vorsitzende. Bergmann wies daraufhin, dass die Praxen in Ballungszentren auch das Umland weitläufig mitversorgten.
Wartezeiten für Patienten werden zunehmen
„Es ist absurd, massiv Praxen abzubauen, aber gleichzeitig Wartezeiten reduzieren zu wollen“, kritisierte Bergmann. Die im Gesetz vorgesehenen Terminservicestellen könnten das Problem nicht lösen, weil sie keine neuen Behandlungskapazitäten schafften. Außerdem sei gerade für Patienten mit einer neurologischen oder psychiatrischen Erkrankung die ersatzweise Vorstellung im Krankenhaus oft keine Alternative. „Unsere Patienten sind besonders auf das Vertrauensverhältnis zu ihrem Arzt angewiesen und auf eine kontinuierliche Behandlung. Es geht ja in den Gesprächen um sehr persönliche Inhalte. Außerdem sind die Krankheiten oft von längerer Dauer“, erläuterte Bergmann.
Vernetzung und mehr Weiterbildung als bessere Alternativen
Der SpiZ-Vorsitzende fordert stattdessen eine Aufstockung der neurologischen und psychiatrischen Vertragsarztsitze sowie insbesondere eine bessere Vernetzung der Angebote im Rahmen von Integrierten-Versorgungs- oder Strukturverträgen und neben anderem auch Finanzmittel für Weiterbildungsassistenten in den Praxen. Die verschiedenen Akteure könnten im Rahmen von Verträgen zur Integrierten Versorgung in ihrer Region Versorgungsnetze bilden und so die personellen und finanziellen Ressourcen im Sinne der Patienten besonders effektiv einsetzen, so Bergmann. Die entsprechenden Behandlungspfade haben die Berufsverbände auf der Basis von Leitlinien der entsprechenden wissenschaftlichen Fachgesellschaften bereits geschaffen. „Jetzt braucht es Krankenkassen, die mit uns diese Versorgungsnetze in den Regionen zum Wohle der Patienten aufbauen“, forderte Bergmann.
Facharztweiterbildung in Praxen fördern
Der SPiZ schlägt außerdem vor, die Facharztweiterbildung in Praxen zu fördern. Diese könnten dann ihre Behandlungskapazitäten ausbauen und damit die Wartezeiten ihrer Patienten verkürzen. Außerdem würde eine solche Weiterbildung den Ärztemangel im ambulanten Bereich verringern. „Einen Teil der Weiterbildung in der Praxis zu absolvieren, ist einer der wichtigsten Schritte, um junge Kollegen an eine Niederlassung heranzuführen. Junge Ärzte können so unbegründete Ängste vor der Gründung oder Übernahme einer Praxis abbauen“, erläuterte Bergmann. Leider sei dies im Augenblick oft nicht umsetzbar, weil die Praxen es sich nicht leisten könnten, einen Assistenten auszubilden, kritisierte er. Grund dafür sei, dass sich der Weiterbildungsassistent durch seine Versorgungsleistung – also die Patientenbetreuung – nicht refinanzieren könne. Der SPiZ fordert daher: Die Versorgungsleistung der Weiterbildungsassistenten in der Praxis muss ebenso anerkannt werden wie die Versorgungsleistung von Weiterbildungsassistenten in der Klinik, zum Beispiel durch einen angemessenen Aufschlag auf den von der Praxis abgerechneten Punktwert.
Spitzenverband ZNS kritisiert geplantes GKV-Versorgungsstärkungsgesetz