09.02.2019, spiz

Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Psychotherapeutenausbildung

I. Berufsbezeichnung „Psychotherapeut“

Nach dem Referentenentwurf darf sich derjenige „Psychotherapeut“ nennen, der einen entsprechenden Bachelor- und Masterstudiengang mit den im Rohkonzept einer Approbationsordnung (Anlage 1) geforderten 180 prüfungsqualifizierenden ECTS und die Approbationsprüfung erfolgreich abgeschlossen hat.

Die Berufsbezeichnung „Psychotherapeut“ suggeriert umfassende Kompetenz für die Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen. In den Berufsbezeichnungen der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -Psychotherapie sowie der Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie ist dies in der Facharztbezeichnung zu erkennen. Diese Psychotherapeuten sind allerdings auch in der Lage, somatische Erkrankungen zu diagnostizieren und zu behandeln und in den Kontext der Psyche des Patienten einzuordnen.

Die Begrenzung auf ausschließlich psychotherapeutische Kompetenz durch die nach der Ausbildungsreform ausgebildeten Therapeuten wird Patienten aber mit der beabsichtigten Regelung nicht klar, der Begriff stellt eine Irreführung darf.

Als Alternative sollten für Ärzte zumindest folgende Regelungen zur Berufsbezeichnung getroffen werden:

Fachärztlicher Psychotherapeut dürfen sich Fachärzte mit der Gebietsbezeichnung Psychiatrie und Psychotherapie, Nervenheilkunde und Psychotherapie, Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie sowie Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie nennen.

Ärztlicher Psychotherapeut dürfen sich Fachärzte mit der Zusatzweiterbildung Psychotherapie nennen.

Das differenzierte Versorgungssystem ist für Patienten ohnehin oft schwer durchschaubar. Psychotherapie ist seit jeher Kernbestandteil ärztlichen Tuns. Es ist völlig unklar, welche Ärzte die Bezeichnung Psychotherapeut tragen dürfen. Der Begriff muss sich zwingend an der erworbenen Qualifikation und nicht an der tatsächlichen Tätigkeit orientieren. Gerade in der Psychotherapie ist die ärztliche Qualifikation auch körperliche Erkrankungen erkennen zu können, diese in den Kontext zur Psyche des Patienten zu setzen und diese therapieren zu können, ein hohes Gut für die Qualität der Behandlung.

II. Modellstudiengang Psychopharmakotherapie

Ein Modellstudiengang Psychopharmakotherapie mit der Befähigung zur Verordnung von Medikamenten wird strikt abgelehnt. Psychopharmakotherapie beschäftigt sich mit den Wirkungen pharmakologischer Substanzen auf das zentrale Nervensystem und die Psyche. Chemische Substanzen wirken jedoch regelmäßig auch auf andere Organsysteme und entfalten dort Wirkungen und zum Teil tödliche Nebenwirkungen. Zusätzlich interagieren diese Substanzen regelhaft und komplex mit anderen Medikamenten. Hierbei handelt es sich deshalb um einen „Hochrisikoprozess“. Ein Studium der Psychopharmakotherapie kann zwar Kenntnisse in den therapeutischen Wirkungen auf die Psyche vermitteln, es befähigt die Studienabsolventen aber keinesfalls, diese Medikamente auch zu verordnen. Dieses setzt aus Gründen der Patientensicherheit umfassende Kenntnisse sämtlicher Organsysteme, der Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie, Chemie und Biochemie sowie der gesamten Pharmakologie voraus. Dafür ist ein Medizinstudium unabdingbar. Deutschland hat auf diesem Hintergrund zu Recht ein sehr strenges Arzneimittelgesetz. Der Gesetzgeber kann, wenn dies seinem Willen entspricht, zwar Studienabsolventen legitimieren, Medikamente zu verordnen, er versetzt die Absolventen aber unter Aspekten der Patientensicherheit regelmäßig in die Situation, grob fahrlässig zu handeln. Wir gehen davon aus, dass dies auch äußerst problematische versicherungsrechtliche und haftungsrechtliche Implikationen hat. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass sich diese Situation auch nicht dadurch entschärft, dass Ärzte bei der Verordnung als Zweitmeiner und für medizinisch notwendige Begleituntersuchungen, wie Blutabnahmen, EEG-, EKG-Ableitungen usw. herangezogen werden. Dies schafft mehr Schnittstellen und damit Qualitätsprobleme, als dass damit irgendein reales Problem gelöst würde.

 

III. Methodenvielfalt

Ein Hochschulstudium zur Erlangung von Qualifikationen zur psychotherapeutischen Behandlung muss die dafür erforderlichen wissenschaftlichen Grundlagen und Methoden der Psychologie vermitteln. Die Verfahrensbreite wird im Wesentlichen durch psychodynamische (analytische und tiefenpsychologische), verhaltenstherapeutische und systemische Methoden beschrieben. Diese gehören zu den etablierten Behandlungsmethoden. Zurzeit sind alle Lehrstühle ausschließlich durch Verhaltenstherapeuten besetzt. Der Nachwuchs kann sich so im psychodynamischen und systemischen Bereich in der Hochschullandschaft kaum entwickeln. Eine Vermittlung dieser wichtigen und für die Breite der Psychotherapie wesentlichen Wissens- und Forschungsgebiete ist so nicht flächendeckend möglich.

Die Dominanz der Verhaltenstherapie und die Unterrepräsentanz der anderen wissenschaftlich anerkannten Verfahren werden zu einer Verarmung der Behandlungsmöglichkeiten führen. Diese Tatsache wird sich in der Versorgung negativ für die Patientinnen und Patienten auswirken. Den Patienten muss weiterhin die Möglichkeit angeboten werden flächendeckend alle Verfahrensarten in Anspruch nehmen zu können, soweit diese für die Behandlung notwendig sind.

 

IV. Bedeutung wissenschaftlich anerkannter Verfahren auch in der GKV

Für die vertragsärztliche Versorgung findet sich eine entscheidende Veränderung im § 92 Abs 6a SGB V bezüglich der Zuständigkeiten des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA): Die Formulierung bzgl. der Prüfung der „zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren“ im G-BA soll gestrichen werden. Damit entfällt die Prüfung der psychotherapeutischen Verfahren durch den G-BA. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung durch den G-BA muss unbedingt erhalten bleiben und auch die Kooperation mit dem WBP in der wissenschaftlichen Prüfung der Evidenzbasierung von psychotherapeutischen Verfahren. Regelungen zu den Richtlinien sollen getroffen werden für die Behandlungen „mit den psychotherapeutischen Verfahren, die Gegenstand der Weiterbildung zum Fachpsychotherapeuten sind“. Diese Einschränkung bindet damit per Gesetz die Weiterentwicklung psychotherapeutischer Behandlungsmöglichkeiten in der GKV an diejenigen der nicht-ärztlichen Psychotherapie. Die Unterzeichner lehnen diese Regelung ab.