Wartezeitendiskussion: Zwangsmaßnahmen schaffen keine neuen Behandlungskapazitäten
Intelligente versorgungspolitische Lösungen in der Diskussion um die Wartezeiten auf einen Facharzttermin hat der Spitzenverband ZNS (SPiZ) angemahnt.
„Lange Wartezeiten resultieren aus einem Missverhältnis zwischen Patienten-Nachfrage und Versorgungskapazitäten in den Praxen. Sie sind Ausdruck einer gravierenden Unterversorgung“, sagte der Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Neurologen eV (BDN), Dr. Uwe Meier. Zwangsmaßnahmen wie Termingarantien und neue Koordinierungsstellen könnten dieses Problem nicht lösen, weil sie keine neuen Behandlungskapazitäten schafften. „Stattdessen fordern wir eine bessere Vernetzung der Angebote im Rahmen von Integrierten-Versorgungs- oder Strukturverträgen und Finanzmittel für Weiterbildungsassistenten in den Praxen“, so Meier.
Praxen nach jahrelanger Fallzahl-Steigerung am Limit
Die neurologischen und nervenärztlichen Praxen in Deutschland haben zwischen 1994 und 2004 ihre Fallzahl pro Arzt ständig ausgedehnt: von rund 2.500 auf etwa 3.500 Fälle pro Jahr (1). Seither verharrt die Fallzahl pro niedergelassenem Arzt auf dem konstant hohen Niveau zwischen 800 und 1.000 Fällen pro Quartal und Arzt.
„Bei einer gesetzlich verordneten Termingarantie müssten die Praxen ihre Fallzahlen steigern. Dann stünde noch weniger Zeit für den einzelnen Patienten zur Verfügung“, so Meier. Er kritisierte, die Zeit für das Gespräch und die Beratung der Patienten beim Neurologen oder Nervenarzt sei auch jetzt bereits knapp bemessen. Sie weiter zu verkürzen, sei im Interesse der Patienten nicht machbar. „Patienten mit Erkrankungen des Zentralen Nervensystems benötigen oft sehr zeitaufwändige Beratungen, zum Beispiel, wenn es darum geht, wie sie mit ihrer Erkrankung im Beruf zurechtkommen sollen“, so Meier. Eine weitere Steigerung der Fallzahl sei unrealistisch.
Intelligente Versorgungskonzepte gefragt
Der SPiZ schlägt daher vor, die Facharztweiterbildung in Praxen zu fördern. Diese könnten dann ihre Behandlungskapazitäten ausbauen. Außerdem würde eine solche Weiterbildung den Ärztemangel im ambulanten Bereich verringern. „Einen Teil der Weiterbildung in der Praxis zu absolvieren, ist einer der wichtigsten Schritte, um junge Kollegen an eine Niederlassung heranzuführen. Junge Ärzte könnten so unbegründete Ängste vor der Gründung oder Übernahme einer Praxis abbauen“, erläuterte der SPiZ-Vorsitzende Dr. Frank Bergmann. Leider sei dies im Augenblick oft nicht umsetzbar, weil die Praxen es sich nicht leisten könnten, einen Assistenten auszubilden, kritisierte er. Grund dafür sei, dass sich der Weiterbildungsassistent durch seine Versorgungsleistung – also die Patientenbetreuung – nicht refinanzieren könne. Der SPiZ fordert daher: Die Versorgungsleistung der Weiterbildungsassistenten in der Praxis muss ebenso anerkannt werden wie die Versorgungsleistung von Weiterbildungsassistenten in der Klinik, zum Beispiel durch einen angemessenen Aufschlag auf den von der Praxis abgerechneten Punktwert.
Als ein weiteres wichtiges Instrument zur Verkürzung von Wartezeiten fordert der SPiZ, die bestehenden stationären und teilstationären, rehabilitativen und ambulanten Angebote regional besser zu vernetzen. „Die verschiedenen Akteure können im Rahmen von Verträgen zur Integrierten Versorgung in ihrer Region Versorgungsnetze bilden und so die personellen und finanziellen Ressourcen der im Sinne der Patienten besonders effektiv einsetzen“, so Bergmann.
Die entsprechenden Behandlungspfade haben die Berufsverbände auf der Basis von Leitlinien der entsprechenden wissenschaftlichen Fachgesellschaften bereits geschaffen. „Jetzt braucht es Krankenkassen, die mit uns diese Versorgungsnetze in den Regionen zum Wohle der Patienten aufbauen“, so Meier.
Quellen
1. Allberg, Fürstenberg, Gottberg, Strukturen und Finanzierung der neurologischen und psychiatrischen Versorgung, Berlin, 2007