Weiterbildung in Praxen fördern und Gesprächsleistungen aufwerten
Die Weichen für die künftige Versorgung von neurologischen und psychiatrischen Patienten jetzt zu stellen, fordert der Spitzenverband ZNS (SPiZ).
„Die Facharztweiterbildung in Praxen zu fördern, Gesprächsleistungen aufzuwerten und eine engere regionale Vernetzung zu etablieren, ist nötig, damit wir diese Patienten in der Zukunft optimal betreuen können“, erklärte der Vorsitzende des SPiZ, Dr. Frank Bergmann, anlässlich des 118. Deutschen Ärztetages in Frankfurt.
Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass rund jeder vierte Patient, der das Gesundheitssystem in Anspruch nimmt, unter einer neurologischen oder psychiatrischen Erkrankung leidet. Wegen des demographischen Wandels werden in den nächsten Jahren altersbedingte Erkrankungen, zum Beispiel Demenz, Depressionen, Folgen von Suchterkrankungen – vor allem von Alkoholmissbrauch – und altersbedingte neurologische Erkrankungen wie Schlaganfall und Parkinson noch zunehmen.
Facharztweiterbildung in Praxen und Weiterbildungsverbünden
Der SPiZ schlägt vor, die Facharztweiterbildung in Praxen zu fördern. Diese könnten dann ihre Behandlungskapazitäten ausbauen und damit die Wartezeiten ihrer Patienten verkürzen. Außerdem würde eine solche Weiterbildung den Ärztemangel im ambulanten Bereich verringern. Dieses Konzept ist bei den Hausärzten bereits erfolgreich etabliert. „Einen Teil der Weiterbildung in der Praxis zu absolvieren, ist einer der wichtigsten Schritte, um junge Kollegen an eine Niederlassung heranzuführen. Junge Ärzte können so unbegründete Ängste vor der Gründung oder Übernahme einer Praxis abbauen“, erläuterte Bergmann. Leider sei dies im Augenblick oft nicht umsetzbar, weil die Praxen es sich nicht leisten könnten, einen Assistenten auszubilden, kritisierte er. Grund dafür sei, dass sich der Weiterbildungsassistent durch seine Versorgungsleistung – also die Patientenbetreuung – nicht refinanzieren könne. Der SPiZ fordert daher: Die Versorgungsleistung der Weiterbildungsassistenten in der Praxis muss ebenso anerkannt werden wie die Versorgungsleistung von Weiterbildungsassistenten in der Klinik, zum Beispiel durch einen angemessenen Aufschlag auf den von der Praxis abgerechneten Punktwert.
Darüber hinaus fordert der SPiZ, die Weiterbildung in Verbünden von Kliniken und Praxen zu etablieren. Dass viele Krankheitsbilder fast nur noch in der Praxis behandelt würden, mache es für junge Ärzte in der Weiterbildung sehr sinnvoll und attraktiv, einen Teil ihrer Weiterbildung dort abzuleisten. Deshalb sei es Strategie der Berufsverbände BDN, BVDN und BVDP, Weiterbildungsverbünde zu konzipieren. Dafür müssten sich Kliniken und Praxen regional zusammenschließen und gemeinsame Curricula entwickeln. Möglich sei, künftig eine modular aufgebaute Weiterbildung nach Themenschwerpunkten (etwa „Kopfschmerz“) oder nach Fähigkeiten (etwa „Elektrophysiologie“) abgestimmt auf Klinik und Praxis zu verteilen. Ein solcher Weiterbildungsverbund könnte ein gemeinsames Marketing betreiben, um Assistenten zu gewinnen. „Die Frage nach der Qualität und der guten Strukturierung der Weiterbildung ist für Nachwuchsärzte sehr wichtig und kann sie für ein Fach oder eine Region gewinnen“, so Bergmann. Diese Weiterbildungsverbünde würden so zu einem Wettbewerbsvorteil für Kliniken und Praxen, aber auch für Regionen.
Angemessene Bezahlung ärztlicher Gespräche
Die ärztliche Betreuung von Patienten braucht Zeit und Zuwendung. Gute ärztliche Kommunikation ist eine Grundlage für den Heilerfolg. „Das gilt in besonderem Maße für die Psychiatrie, Neurologie und Nervenheilkunde“, führte Bergmann aus. „Psychiatrische Arbeitszeit ist zu 95 Prozent Gesprächszeit. Wir stellen die Diagnose im Anamnesegespräch. Auch die Therapie ist zum großen Teil eine Gesprächsleistung. Apparativ-technische Untersuchungen oder Behandlungen spielen eine nachrangige Rolle“, sagte der Vorsitzende des SPiZ. Diese Gesprächsleistungen von Psychiatern oder Nervenärzten würden nicht ausreichend honoriert. Auch könnten Psychiater ihre Produktivität nicht steigern, etwa indem sie schneller mit den Patienten sprächen oder sie nach drei Sätzen aus der Sprechstunde entließen, so Bergmann. „Wir brauchen daher eine Einzelleistungsvergütung jeder Gesprächsleistung, die wir erbringen. Mit einer Pauschale von 40 bis 60 Euro im Quartal ist unsere zuwendungsintensive Arbeit keinesfalls ausreichend honoriert“, betonte er. Eine solche Unterbewertung führe auf Dauer dazu, dass die Defizite in der Versorgung psychiatrischer Patienten sich weiter verschärften. Insbesondere führe sie zu einem -weiteren- Abwandern von Psychiatern in die Psychotherapie.
Weiterbildung in Praxen fördern und Gesprächsleistungen aufwerten